[Film] Ben X (2007 BE/NL)

BenX-Header

Es gibt Filme, die gehen an die Substanz. Ben X ist für mich so einer. Diese belgisch-niederländische Koproduktion mag zwar den Holzhammer dazu verwenden, seine Botschaft gegen (Cyber)Mobbing auszusprechen, aber bei manchen Themen geht das gar nicht anders.

Mich bringt so schnell nichts aus der Ruhe, aber die Art und Weise wie die Schüler hier ihre hundsgemeinen, feigen und verlogenen Mobbingattacken gegen Ben ausüben, machte mich wütend.
Wütend, weil er ihnen schutzlos ausgeliefert ist.
Wütend, weil sie sich nur in der Mehrzahl trauen ihn fertig zu machen.
Wütend, weil sie sich der Konsequenz ihrer Taten nicht gänzlich bewusst sind.
Und wütend, weil sie sich am Ende als die größten Heuchler enttarnen.

Ben X zeigt pseudodokumentarisch den Leidensweg Bens (Greg Timmermans), der sich so stark bemüht sich anzupassen. Und doch kann er es nicht.
Er versteht nicht, und er weiß nicht was er falsch macht oder warum sie alle (verbal) auf ihn einhämmern. Seine Mutter tut ihr bestes und weiß doch so wenig über ihn. Erst recht nicht, wie sie ihrem Sohn in dieser schwierigen immer währenden Situation beistehen soll. Stattdessen schickt sie den etwas andersartigen Jungen zu zahlreichen Therapeuten und Psychologen, die hoffentlich aus seiner „abnormen“ Art schlauer werden. Es dauert, doch bald findet sich eine Diagnose für den Jungen.
Doch was nützt dieses Wissen, wenn Ben immer und überall gestriezt und gemobbt wird? Der einzige Ort an dem er sich sicher und unbezwingbar fühlt ist ein Videospiel. In „Archlord“, einem Fantasy Rollenspiel, trifft er auf die junge Scarlite. Sie ist die einzige Person, zu der er eine Bindung aufbauen kann. Scarlite dient als seine Stütze und sie hilft Ben dabei, aus seinem elenden Leiden abzutauchen. Wenigstens für ein paar Stunden kann sich Ben „normal“ fühlen. Akzeptiert, so wie er nun mal ist. Doch dauert es nicht lange, bis auch dieser letzte Schutzwall durchbrochen wird und ihn die Realität einholt. Er will einen Schlussstrich ziehen und das „Endgame“ einläuten.

 Sagte ich schon, dass mich sowas wütend macht?

Mittels eingeschobener Interviewpassagen impliziert Regisseur Nic Balthazar dem Zuschauer den Ausgang der Geschichte recht zügig. Auch wenn man sich vielleicht nicht sofort sicher sein kann, eine gewisse Ahnung hat man sofort. Und doch gelingt es Balthazar mit einem geschickten Drehbuch notwendige Haken zu schlagen, die dem Mobbingdrama die nötigen Kurven verleihen. Die Dramatik lastet somit nicht nur auf den Schultern Greg Timmermans, der den jungen Ben so sympathisch und zeitgleich so unsicher und ängstlich spielt, sondern fordert und fördert alle Beteiligten maßgeblich. Die Thematik wird greifbar, sie weckt gegebenenfalls alte Erinnerungen. Ob persönliche oder unpersönliche.

Obwohl der Film von Symbolen, Videospielszenen und einer unruhigen Kamera nur so strotzt, überwältigt einen nie das Gefühl, von den stilistischen Mitteln erschlagen zu werden. Diese sind so bewusst eingestreut, dass sie ein gewisses Maß an Hoffnung und Erlösung vermitteln, ehe diese wieder zunichte gemacht werden. Vom filmischen Standpunkt her sicherlich interessant zusammengefügt und doch dienen diese Bilder und Metaphern lediglich als Fenster zur Gefühlswelt des Protagonisten.

Genau dieser Art und Weise ist es zu verdanken, dass man als Zuschauer die geschwungene Moralkeule akzeptiert. Mir fiel es bspw. sehr leicht, abseits der ohnehin vorhandenen Sympathien zu Ben auch Mitleid und Wut (letzteres gegenüber den Tätern) aufzubauen. Vielleicht mag das bei dem ein oder anderen zu einer fragwürdigen Moral verkommen, wenn man in Hinblick dessen auf das große Finale, das „Endspiel“, wartet. Doch vermag gerade dieses großartige Ende nicht sinnlos zu verkommen. Es setzt der Gesellschaft den Spiegel vor die Nase, verteilt berechtigte Schelte und spricht wichtige Punkte an. Die Überspitztheit dessen dient als Holzhammer, doch wie soll man diese Thematik unter der so viele Kinder und Jugendliche litten und leiden sonst vermitteln? Man hat doch das Gefühl, es brächte alles nichts und das sei die Methode, die beim Zuschauer noch am ehesten nachhallt.

Ben X ist ein zeitgenössisches Dokument unserer Gesellschaft, welches auch in 20 Jahren an Aktualität nicht einbüßen wird. Wie viele Jugendliche müssen unter (Cyber)Mobbing noch leiden, ehe die Gesellschaft einen Wandel durchmacht? Es ist erschreckend, wenn man aus eigener Erfahrung weiß, wie schnell sich eine Eigendynamik entwickelt, aus der man sich als Opfer nur schwerlichst raus winden kann. Diese kleine flämische Filmperle müsste man daher als Pflichtfilm im Unterricht präsentieren. Und wenn es dadurch nur zur Diskussion kommt oder nur ein maues Gefühl in der Magengegend zurückbleibt. Hauptsache dieses Thema wird nicht ständig unter den Tisch gekehrt, um beim nächsten Fall von Mobbing wieder für wenige Tage entstaubt zu werden.

8,5/10 Punkte

BenX-PosterBen X
Jahr: 2007 BE/NL
Regie & Drehbuch: Nic Balthazar
Cast:
Greg Timmermans, Marijke Pinoy, Pol Goossen, Titus De Voogdt, Maarten Claeyssens, Laura Verlinden

Bilder via: impawards.com; nytimes.com; outnow.ch; universocinema.com; universocinema.com; filmmovement.com

13 Kommentare zu „[Film] Ben X (2007 BE/NL)“

  1. Mensch! Von dem Film habe ich noch gar nicht gehört! gut, dass du ihn vorstellst. Das Thema Mobbing hat mich immer sehr beschäftigt und ich werde mir den Film auf jeden Fall ansehen.

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      1. Haha XD Klingt nach einem Plan :) Wahrscheinlich Glücksbärchis oder My Little Pony … obwohl, die sind schon ziemlich langweilig. Dann doch lieber Gummibärenbande. Die waren eher etwas edgy und hatten Humor XD

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  2. Bei Filmen, die mir sehr viel bedeuten drücke ich mich ja immer sehr lange etwas darüber zu schreiben. Dieser gehört auch dazu. Wuttränen kommen mir nämlich sehr selten. Aber ist dir aufgefallen, dass Aspis und psychisch kranke Menschen in Filmen immer verdammt gut aussehen?

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      1. Gerne. Hatte nur durch Zufall reingeschalten und bin dann hängen geblieben. Bei Filmen bin ich auch recht entspannt, aber dann kommen solche kleinen unscheinbaren Filmchen, die den Zuschauer aus den Socken hauen. Ich war wirklich sauer danach und glaube das kann man auch rauslesen. Hat ein bisschen gedauert, mich danach wieder zu sammeln.
        PS: Er war zum Zeitpunkt des Drehs 27/28. Just sayin‘. Aber ja, das dachte ich mir auch.

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        1. Ja, war bei mir damals genauso. Hat richtig reingehauen damals nach einem langen Schultag und lots of eigenen Problemen.

          Jap, aber trotzdem ist das gemein, wie Filme in der Hinsicht dir Hoffnungen machen und wenn du selbst mal eine Einrichtung von innen siehst oder sonst wie mit eben jenen Menschen in Kontakt kommst dich dabei ertappst, ein wenig enttäuscht zu sein. So war es jedenfalls bei mir inner Pubertät.^^‘

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  3. Wahrlich eine feine, kleine Filmperle und viel zu wenig beachtet. Habe den damals auf irgendeinen der Spartenkanäle der ÖRs rein zufällig gesehen und war gleich fasziniert. Wunderbarer Film mit großer Aussage.

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  4. Puh, klingt nach hartem Stoff! Das Thema „Cyberbullying“ besprechen wir ja auch im Englischunterricht – fast schon schade, dass das ein belgischer Film ist. Vielen Dank für den Tipp – sollte ich mir mal ansehen, wobei das für mich bestimmt auch schwer zu ertragen ist, weil ich Mobbing absolut verabscheue. Bei uns an der Schule (relativ kleine Privatschule und nur Oberstufe) ist das zwar wirklich selten, aber ich sehe gerade, wie eine Schülerin, die eine Klasse wiederholt, jetzt so richtig aufblüht, weil sie in einer Klasse mit ganz toller Klassengemeinschaft gelandet ist, in der sich niemand z. B. über ihre Englischaussprache (sie kann kein „th“ aussprechen) lustig macht.

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