Unzählige Verfilmungen liegen der fiktiven Gestalt aus der Feder von Sir Arthur Conan Doyle zugrunde. Die klassischen Detektivgeschichten, in denen Sherlock Holmes mit seiner brillanten Auffassungsgabe die Fälle löst und ihm sein Partner John Watson tatkräftig zur Seite steht und… aus den literarischen Ummodelungen der Fälle Profit schlägt.
Doch was passiert mit einem aufgeweckten Intellekt, der sich langsam aber sicher mit dem Alter abfinden muss? Dessen Gedächtnis nicht mehr so will wie es soll? Bill Condon geht dieser Frage mit seinem Film Mr. Holmes auf den Grund und konfrontiert ebenjenen mit Demenz.
Gegen Ende des Jahres suche ich mir immer einen Kinofilm raus, der abseits des Mainstreams den knallig lauten Tönen trotzt und das Kinojahr in entschleunigter Manier zu einem Ende führt. Vor zwei Jahren war es Only Lovers Left Alive, letztes Jahr Die Entdeckung der Unendlichkeit und in diesem sollte es Mr. Holmes werden. Ins Visier rutschte der Film allerdings primär wegen Hiroyuki Sanada, den ich in diesem Jahr erst so richtig zu schätzen gelernt habe.
Nun, entschleunigend ist dieser Film allemal. Der höchst angesehene und in der britischen Kultur fest verankerte Charakter des Sherlock Holmes (Ian McKellen) merkt allmählich, dass es ab einem gewissen Punkt im Leben besser ist sich zu Ruhe zu setzen. Deshalb zieht er sich auf seinen gemütlichen Landsitz zurück, um sich an einem Buch zu versuchen welches auf seinem letzten Fall beruhen soll. Jedoch verschwimmen die Erinnerungen allmählich, weshalb er immer wieder ins Stocken gerät. Ständig verschwinden wichtige Passagen aus seinem Gedächtnis, die er krampfhaft aufs Papier zu bringen versucht. Erst durch die Hilfe des Jungen Roger (Milo Parker), dem Sohn der Haushälterin des Anwesens, kehren die Erinnerungen allmählich zurück. Und so entwickelt sich eine Symbiose aus jung und alt, die für beide Parteien nützlich ist.
Mittels zweier Fallkonstrukte entwickelt Regisseur Bill Condon den Fallstrick der Demenz, mit der der Meisterdetektiv in diesem Drama zu kämpfen hat. Statt schnöde den Verfall eines brillanten Geistes zu zeigen, nimmt er die Möglichkeit wahr, Sherlock Holmes noch einmal in seinem Element zu zeigen. Dabei spielt er mit unterschiedlichen Zeitebenen, um dem einst messerscharfen Verstand den notwendigen Kontrast zu bieten und diesen als emotionale Fallgrube zu etablieren, wenn Holmes in der Gegenwart auf seine damals getroffenen Entscheidungen zurückblickt.
Es tut fast schon weh, Ian McKellens punktgenaue Darstellung zu verfolgen. Denn so kalt er auch erscheinen mag, so menschlich ist er am Ende. Anders als in bisherigen Adaptionen wächst einem die Figur schnell ans Herz, trotz des kauzig eigenwilligen Einschlags. Den schmalen Grat meistert McKellen mit Bravour, was jedoch auch dem jungen Milo Parker geschuldet sein mag. Der Jungschauspieler spielt einen aufgeweckten Burschen, der es allmählich schafft, Holmes Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und ihm somit menschliche Seiten entlockt. Die Chemie passt und sorgt für den ein oder anderen Schmunzler, während Laura Linney die verbitterte und unglückliche Haushälterin mimt, die schnurstracks zum Buhmann degradiert wird. Zu Unrecht, dennoch ein notwendiges Mittel des Films.
So gut die Darsteller auch sind, so kitschig entwickelt sich der Film selbst. Obwohl der Fall selbst, der hier für die Spannung sorgt, durchaus mysterisches Potenzial beherbergt, so langatmig wird er über die Laufzeit von 104 Minuten behandelt. Die Auflösung ist nämlich leider nicht nur platt und dröge, sondern auch unglaublich vorhersehbar. Hiermit soll nicht angedeutet werden, dass diesem Drama etwas mehr Geschwindigkeit gut getan hätte, vielmehr kriecht er nur so vor sich hin und wickelt ein ohnehin schon nicht sehr erbauliches Thema in ein nicht weniger beschwingendes Gerüst. Auf diese Weise wird die Aufmerksamkeit zusehends auf den näher rückenden Abgrund gerichtet, der mit dem musikalischen Holzhammer in Form von schwerfälliger mol-Pianobegleitung permanent auf den Zuschauer eindrischt. Melancholie ist die eine Sache, Melancholie kann wunderschön sein. Und trotz steter Bemühung, Mr. Holmes hin und wieder etwas Leichtigkeit unterzujubeln, schafft es der Film nicht, elegant über die sich ziehende Dauer zu gleiten. Mein Wohlwollen wurde deshalb schon früh untergraben, was weder die astreine Besetzung, noch die an sich clever gelöste narrative Struktur zu retten vermochte.
Im Endeffekt erscheint Mr. Holmes als glattgebügeltes und äußerst schwerfälliges Drama, das zwar einen schönen Ansatz pflegt, sich in seinen wichtigsten Momenten aber zu sehr hingibt und auf die Holzhammerattitüde zurückgreift, um Emotionen zu wecken. Für einen Sonntagnachmittagsfilm gerade noch das richtige, ansonsten braucht es etwas Ausdauer, um dieses schwere Filmchen zu überstehen.
5/10 Punkte
Mr. Holmes
Jahr: 2015 GB/US
Laufzeit: 104 Minuten
Regie: Bill Condon |
Drehbuch: Jeffrey Hatcher (liter. Vorlage: Mitch Cullin)
Kamera: Tobias A. Schliessler
Musik: Carter Burwell
Cast:
Ian McKellen, Laura Linney, Milo Parker, Hiroyuki Sanada, Hattie Morahan, Patrick Kennedy, Roger Allam, Philip Davis, Frances de la Tour, Charles Maddox , Takako Akashi, Zak Shukor, John Sessions
Bilder via mrholmesfilm.com [© Alamode Filmverleih]
Den fand ich auch sehr interessant, habe ihn aber leider in der Sneak verpasst. Wird wohl nichts mehr mit einer Kinosichtung. Vorgemerkt ist er aber trotzdem :)
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Auf der heimischen Couch funktioniert er wenn nicht sogar besser. ;) Interessant aufgezogen ist er allemal.
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Irgendwas hat mich bei den Trailern und Bildern zum Film enorm gestört, könnte gerade diese glatt gebügeltheit gewesen sein – klingt bei dir ja auch nicht so überragend. Der wandert auf der Liste erstmal weiter nach unten :D
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Ich glaub, dann warte ich auf die TV-Ausstrahlung. :)
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Das klingt echt nach verschenktem Potential, irgendwie. Schade. Ein wenig hatte ich mit dem Film auch geliebäugelt. Naja. Irgendwann einmal – aber dann doch nicht im Kino. Danke für die Rezi.
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Die Amis bspw. stehen dem Film ja freudig gegenüber und können ihn gar nicht genug loben. Vllt. lohnt es sich für dich also doch?
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Naja. Ich weiß nicht. Gelobt von „den Amis“. :D Sicher nicht mehr im Kino.
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Argh, so war das doch nicht gemeint! Pfft! ;)
Sonntags auf der Couch vor der Glotze- so geht es auch. Versprochen.
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Da geh ich allerdings mit. ;)
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