[Film] Short Term 12 – Stille Helden (2013 US)

Independentfilme sind so eine Sache für sich. Sie können lebensnah sein, authentisch wirken und die Welt – anders als Mainstreamproduktionen – unberührt erscheinen lassen. Und Short Term 12 macht genau das.

Short Term 12 steht hier für die Bezeichnung eines Jugendheims, das minderjährigen Kids als soziale Auffangstation dient. Viele von ihnen mussten in ihrer Vergangenheit physisch oder gar psychisch einiges einstecken und sind infolgedessen als schwere Fälle verbucht. Unter der offiziellen Aufsicht des Heimleiters, obliegt es jedoch dem Trio Grace (Brie Larson), Mason (John Gallagher Jr.) und dem neu zum Team gestoßenen und noch unerfahrenen Nate (Rami Malek), die Kinder und Jugendlichen auf dem rechten Pfad der Tugend zu behalten. Dabei sind sie nicht nur rechtlich arg eingeengt, sondern müssen sich auch emotional distanziert geben. Dass so etwas bei dieser Arbeit nicht immer klar zu trennen ist, dürfte klar sein…

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Eine große Familie: Short Term 12

Eingangs erwähnte ich es bereits: Short Term 12 ist ein Independentfilm und das erkennt man in jeder einzelnen Pore des digitalen Materials. Allein die Kameraführung deutet dies schon an. Mittels leichter Verwacklungen und Schräglagen haucht der Film diesen unabhängigen Dunst aus, der weit weg von sämtlichen Mainstreamproduktionen angesiedelt ist. Es ist ein stiller Film, mit einer hochentzündlichen Geschichte. Sind doch Kinder unter Umständen wie ein Pulverfass, das bei falscher „Handhabe“ an die Decke zu gehen droht. Das schnell mal sämtliche Fassung verliert und einfach abhauen möchte. Aus dieser Anstalt, in der man sich nur schwer auf Freundschaften einlassen möchte, sind die neu gewonnen Freunde doch sowieso bald wieder weg oder liegen im nächsten Straßengraben – tot. Dabei sollte man die von Destin Cretton erzählte Geschichte nicht als Versinnbildlichung solcher Institutionen sehen. Vielmehr ist es ein trauriger Einblick in das Leben, wie es für manche eben ist. Die es nicht einmal selbst verschuldet haben, sondern einfach reingerutscht sind und auf lange Sicht enorme Schwierigkeiten damit haben, sich aus dieser Situation wieder frei zu strampeln.

Dabei fängt es auf äußerst amüsante Weise an, wenn sich die Truppe rund um Grace dem neuen in der Runde, Nate, vorstellt. Es wird gelacht und mit den eigenen Geschichten übertrieben, Anekdoten werden vom Stapel gelassen, ehe plötzlich der ganz normale Wahnsinn über sie hereinbricht. Oftmals sind es nur kurze Momente, in denen hier Luft geholt werden kann. Die einem auch mal ein herzhaftes Lachen entlocken oder zum schmunzeln anregen. Dennoch bleibt es ein waschechtes Drama, mit vielen vielen unterschiedlichen Ebenen, bei denen einem oft genug der Atem stockt. Hoffnungsvolle Augenblicke werden im Keim erstickt, der Gedanke wie schwer dieses gemeinsame Wohnen  mit den anderen sein muss, immer omnipräsent. Und doch gibt es sie. Kurze  aufflammende Wimpernschläge lang, in denen alle Sorgen zumindest für den Hauch einer Sekunde aus den Gesichtern verschwinden. Wäre es nicht so schön in Szene gesetzt, man müsste sich wohl mit Trostpflastern eindecken, um daran nicht zu zerbrechen, wenn auch diese wieder verschwinden.
Dadurch, dass die Altersunterschiede zwischen den Jugendlichen (unter 18) und den Aufsehern (Mittzwanziger) nicht so gravierend ausfallen, verzichtet das Drehbuch auf dahin geschmissene Weisheiten, die sonst typischerweise von erfahrenen und alteingesessenen Erwachsenen kommen würden. So ergibt sich eine völlig andere Situation, mit der der Film meist gekonnt umgeht. Darstellerisch kann nicht ein einzelnen über die anderen gestellt werden, dennoch sticht besonders Brie Larson in der Rolle der Grace heraus. Sie verkörpert von Anfang an eine gewisse Strenge, macht den Kids aber auch klar, dass sie für sie da ist, wenn es sein muss. Nur eben nicht auf die familiäre Art und Weise, sondern mit Distanz. Dennoch strahlt von ihr eine enorme Wärme ab, die einen oft genug an die innere Belastungsgrenze des Tränenkanals führt. Leider macht Destin Cretton jedoch den Fehler, gerade diese Figur zu überdramtisieren. Aufgrund des Breittretens ihrer eigenen Probleme geht auf diese Weise zu viel von dem dramatischen Gefühl verloren, das hier mit aller Sorgfalt aufgebaut, und die meiste Zeit auch aufrecht erhalten werden kann. Warum nun unbedingt die Tür zu dieser zweiten Ebene der Geschichte aufgestoßen werden musste, ist für mich nur schwer zu verstehen. Trübt es doch den Blick auf die anderen Schicksale, von denen schon genug mit persönlichem Leid und Elend besuhlt sind. Musste etwa wieder der obligatorische Bogen geschlagen werden, damit sie weiß wovon die anderen sprechen? Vielleicht soll es nur dazu dienen, den Nebenfiguren etwas Platz einzuräumen, damit Brie Larson nicht all zu dominant in ihrer Rolle erscheint? Wer weiß das schon…

Was man jedoch aus dem Film mitnehmen kann, ist folgendes: Short Term 12 – Stille Helden ist ein emotionalisierendes Drama, welches (ausnahmsweise) den klug gewählten deutschen Beititel mit Fug und Recht verdient. Es braucht keine Pauken und Trompeten um aufregendes, aber nicht aufgeregtes zu erzählen, und sich dem Leben so ehrlich anbiedert, wie es nur möglich ist.
Unabhängiges Kino, wie es leibt und lebt.

8/10 Punkte

Short-Term-12---Stille-Helden---PosterShort Term 12 – Stille Helden [Short Term 12]
Jahr: 2013 US
Laufzeit: 96 Minuten
Regie & Drehbuch: Destin Daniel Cretton
Kamera: Brett Pawlak
Musik: Joel P. West
Cast:
Brie Larson, John Gallagher Jr., Stephanie Beatriz, Rami Malek, Alex Calloway, Kevin Hernandez, Lydia Du Veaux, Keith Stanfield, Frantz Turner, Kaitlyn Dever

Bilder [© Edel Media & Entertainment]

4 Kommentare zu „[Film] Short Term 12 – Stille Helden (2013 US)“

  1. Der wurde mir aber auch schon von allen Seiten ans Herz gelegt. Und eigentlich mag ich Brie Larson ja auch sehr. Muss ich wohl doch mal auf der Watchlist etwas höher positionieren, um endlich selbst zu wissen, warum dieser Film so gut ist.

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