[Film] Arrival (2016 US)

Ich muss die folgende Review etwas subjektiver als üblich gestalten… bitte habt Nachsicht. Auf Denis Villeneuve ist Verlass. Seine Filme sind für mich jedes Mal eine Überraschung für sich: Vom wider Erwarten nicht zünden wollenden Prisoners, zum persönlichen Ausnahmefilm 2016 Sicario hin zum Mindfuck par Excellence Enemy, der mir ja völlig Latte war. Ja. Denis Villeneuve ist einer dieser Regisseure, bei denen ich im Vorfeld nie weiß, was ich bekomme, aber trotzdem so angespornt bin, die Filme dennoch zu sehen. So auch Arrival, bei dem ich mich richtig geärgert habe, ihn nicht im Kino gesehen zu haben. Und das auch noch immer tue. Obwohl…

Die Handlung dürfte hinlänglich bekannt sein:
12 Raumschiffe landen willkürlich (naja, nicht wirklich) auf der Erde. Um zu erfahren, was die extraterrestrischen Wesen von der Menschheit wollen, zieht das amerikanische Militär (u.a. Forest Whitaker) die Sprachwissenschaftlerin Louise Banks (Amy Adams), sowie den theoretischen Physiker Ian Donelly (Jeremy Renner) hinzu…

Arrival ist kein einfacher Film. Er verlangt nach Aufmerksamkeit. Bedingt durch einen langsamen Aufbau seiner Prämisse, welche zwischen Familienleben und Beruf Louises umher wabert. Man merkt schnell, wie sehr sich der Film sophistisch gibt, deutet alles an und sagt doch nichts. Und dabei geht es doch um Worte. Und Kommunikation. Verstehen. Aber tut es das wirklich…?

Ich würde Arrival gerne anstandslos mögen. Aber Villeneuve macht vieles, damit es mir schwerfällt. Auf der einen Seite steht die Aufmachung. Viele der Kompositionen ziehen den Blick förmlich auf sich, obwohl nicht wirklich etwas Besonderes in ihnen steckt. Visuell wird nicht auf Trumpf gesetzt, die oft entsättigten Bilder wirken ungemütlich, trist und fast schon verloren in sich selbst. Und dann gibt es wieder atemberaubende Momente, in etwa im Raumschiff. Der Blick wird dabei immer auf das Wesentliche gerichtet, es gibt ja auch nicht viel, das ablenken könnte. Aber in dieser Nüchternheit steckt eine Kunst, die fasziniert. Ob es an der Art zu kommunizieren liegt? Bestimmt. Aber diese harten Kontraste wecken das Interesse und ziehen die Aufmerksamkeit nahezu au sich. Dazu Jóhann Jóhannssons brummender Score, der ohne einen Hehl draus zu machen an Sicario erinnert. In diesen Szenen entwickelt Arrival eine Sogwirkung, die nur zum Kino passt. Die darum bettelt, im Kino betrachtet – nein – gefühlt zu werden. Es gibt eine Szene, die so viel Nervenkitzel versprüht, dass ich jeden bemitleide (mich eingeschlossen), der nur im Heimkino die Möglichkeit hat, diesen Film nachzuholen. Hier zeigt sich das Filmverständnis eines Denis Villeneuves, und die Wirkungskraft gelungener Einstellungen.

Ich mochte Amy Adams, die als Wissenschaftlerin fungiert und dabei keine übernatürlichen Fähigkeiten zugesprochen bekommt. Eine Frau, die an Erlebtem zu knabbern hat und an den Erinnerungen daran fast zerbricht. Die sich fürchtet und doch genug Mut aufbringt, sich ihren Aufgaben zu stellen. Verdammt, wer hätte vor so einem Raumschiff keine Angst (außer eine Ellen Ripley natürlich, aber für sowas ist man hier an der falschen Stelle)? Oft genug bietet sie Raum zur Identifikation und verkörpert genau das, an was es in Science Fiction-Filmen viel zu oft mangelt: Empathie. Jeremey Renner hingegen wirkt leider nur wie ein plotdevice: Er ist einfach da, sorgt dafür, dass der Plot vorankommt, auch wenn hin und wieder die Überlegung in den Vordergrund rückt, wie er auf manche Dinge kommen kann, wenn er doch theoretischer Physiker ist. Nunja. Er ist austauschbar. Am ärgerlichsten ist es jedoch für Forest Whitaker. Er ist immer einer dieser Sympathen; ein Teddybär der hier allerdings schnell zum Erklärbären wird. Arrival legt nicht sonderlich viel Wert darauf, dass man die Theorie als Zuschauer vollends versteht. Das ist auch gar nicht nötig. Und doch nimmt er sich genug Zeit, um Unnötiges auf Grundschulniveau herunterzubrechen, macht den Film dabei noch länger, als er sein müsste und verschwendet seine Energie an der falschen Stelle. Und sorgt gleichzeitig dafür, dass ein an sich gutgemeinter Charakter hinten runterfällt, weil er die dummen Fragen stellen muss, auf die es nicht immer eine Antwort braucht. Und wo man schon dabei ist, darf natürlich auch ein CIA-Störenfried (Michael Stuhlbarg) nicht fehlen. Dann ist das Quartett auch schon komplett und jede Gattung von Filmrolle einmal vergeben.

Was an Arrival stört, ist die Prioritätensetzung, die dem Gesamtkonzept zu wenig Rechnung trägt. Es werden zwei Handlungsstränge verfolgt, von dem der, der für die Aktion sorgt (die Vernetzung der Staaten, in denen je ein Raumschiff landete), keinerlei Mehrwert bietet. Aufgrund der Inszenierung legt sich Villeneuve von Anfang an auf die metaphorische Ebene fest (einen schönen Gruß an Enemy lässt er auch gleich da). Obwohl ich i.d.R. nichts gegen 0815-Aktion habe, und zu der entwickelt sich der Film leider mit zunehmender Laufzeit, sitzt der Film zwischen den Stühlen. Natürlich braucht es etwas, um gewisse Handlungen zu motivieren, aber irgendwann verkommt dieser übergreifende Handlungsrahmen zur Farce und wird auch ebenso schnell und unspektakulär aufgelöst. So gehoben wie sich der Film die meiste Zeit über gibt, so flach löst er alles auf. Es wirkt schon eher wie Pflaster, das besser schnell als langsam abgezogen wird, in der bösen Vorahnung, dass es nicht ganz so clever gelungen ist, wie erwartet.

Ein letzter Punkt, über den ich noch nicht ganz hinweg bin, ist die Art, wie Villeneuve mit dem Zuschauer spielt. In etwa eine halbe Stunde vor Schluss hatte ich das Gefühl, dass es „klick“ machen müsste, und ich mit einem Schlag verstehen sollte, auf was der Film letztlich hinaus möchte. Obwohl noch nicht alle Puzzleteile verfügbar waren, hatte ich mich dieser Erwartungshaltung ausgesetzt gefühlt. Als müsste man zu einem bestimmten Zeitpunkt genau wissen, wie das Ende des Films aussehen, man aber völlig auf dem Schlauch stehen würde. Das mindert das Sehgefühl etwas, auch wenn man einige der wichtigen Informationsfetzen mitgenommen hat. Da lässt er einen doch lange hin und her schwanken.

Arrival könnte unglaublich pompös inszeniert sein, verzichtet jedoch dankenswerterweise darauf und versucht sich als gehobene Nischen-Science-Fiction. Hätte er genau das doch nur ganz durchgezogen und auf unnötigen Plotballast verzichtet. Villeneuve hat diesen generischen Unsinn kaum nötig, weiß er doch für gewöhnlich, wie er seine Charaktere durch interessante Situationen bewegt. Nur hier findet er keinen eindeutigen Weg und macht dadurch seine sehenswerte Prämisse zunichte.

6/10 Punkte

[Film]-Arrival-(2016-US)---PosterArrival
Jahr: 2016 US
Laufzeit: 116 Minuten
Regie: Denis Villeneuve
Drehbuch: Eric Heisserer (liter. Vorlage: Ted Chiang)
Kamera: Bradford Young
Musik: Jóhann Jóhannsson
Cast:
Amy Adams, Jeremy Renner, Forest Whitaker, Michael Stuhlbarg, Mark O’Brien, Tzi Ma, Abigail Pniowsky, Julia Scarlett Dan, Jadyn Malone, Frank Schorpion

Bilder [© Sony Pictures Releasing]

17 Kommentare zu „[Film] Arrival (2016 US)“

  1. Öha, da hast du den Film aber deutlich negativer gesehen als ich. Allerdings hab ich ihn ja auch im Kino gesehen, das macht vielleicht schon etwas aus. Ich kann deine Kritikpunkte z. Tl. verstehen (z. B. was die Rollen von Whittaker und Stuhlbarg anbelangt), z. Tl. aber auch gar nicht. Für mich war nämlich die Auflösung überhaupt nicht flach. Ich fand die brillant – v.a. allerdings, was die persönliche Schiene zwischen Louise und Ian anbelangt. Zu wissen, was die Zukunft an Trauer und Verlust bringt – und sich trotzdem nicht dagegen entscheiden. Diesen Gedanken fand ich so overwhelming und thought-provoking!

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    1. Ja, ich war leider selbst überrascht wie er bei mir abschnitt. Das mit der Auflösung war eher auf die Chinesen bezogen. Da war der Film mit einem Fingerschnipps „gelöst“, was mir viel zu willkürlich erschien. Das Ende selbst, okay. Ist nett. Aber da sie ja nun weiß, dass sie etwas verändern _könnte_ (wird?), ist das auch wieder so… ajo. Da verliert das alles für mich wieder wesentlich an Bedeutung, auch wenn der Gedanke dahinter durchaus schön ist.

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  2. Hahaha… dann hast du das Anti-Villeneuve-Erlebnis von mir. Seit „Prisoners“ liebe ich den Mann – einzig und allein „Sicario“ hat mich ein wenig kalt gelassen. :D

    „Arrival“ mochte ich sehr, auch wenn ich lange danach noch gebraucht habe, um mir das halbwegs schlüssig zusammen zu reimen. Ich werde mir irgendwann aber trotzdem noch mal die Kurzgeschichte dazu durchlesen.

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    1. Merkwürdig. :D Im Kino bei „Prisoners“ bin ich ja fast eingenickt.
      Zumindest hat der Mann so viel Verständnis von der Materie, dass ich die Finger von seinen Filmen nicht lassen kann/will. Bei „Die Frau, die singt“ und „Polytechnique“ juckt es mich jedenfalls in den Fingern. Aber wie es ausfallen wird, ist schwer zu sagen. Ganz komisch, diese Beziehung. :D
      „Arrival“… hmm. Vielleicht werde ich den Film in ein paar Jahren nochmal schauen. Aber sonst juckt der mich leider kaum noch. Mal sehen wie der kommende Blade Runner wird. Da bin ich skeptisch, auch wenn Villeneuve selbst gute Arbeit zu machen scheint – zumindest wenn sich dem Trailer glauben lässt.

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      1. Alles vor „Prisoners“ will ich mir irgendwann auch noch einmal anschauen. Von „Die Frau, die singt“ habe ich auch nur Gutes gehört.

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      1. Schlecht wird es bestimmt nicht. Eher wird sich an den Fans des Vorgängers messen müssen. Aber die Kurzgeschichte, die Arrival zugrundeliegt, hätte ich auch als sehr schwer verfilbar eingestuft. So sehr es mich für Moonlight gefreut hat, dem Drehbuch von Arrival hätte ich auch den Oscar gegönnt.

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  3. Was entschuldigst du dich dafür, dass deine Reviews persönlicher werden. So muss das sein!

    Ich kann dieses „Klick“-Gefühl sehr sehr gut verstehen. Ich glaube mir ging es ähnlich, obgleich ich den Film, soweit ich mich recht erinnere, mit einer 8 von 10 bedacht hatte. Ich mag halt die humanistische Friedensblabotschaft, was ja irgendwie klar ist. Aber ich denke auch, dass der Film nicht so tiefschürfend und poetisch ist, wie die Leute ihn machen. Und die Charaktere haben allesamt keinerlei Leben in sich, sondern sind eben nur funktional, so dass ich zu niemanden irgendeine Bindung hätte aufbauen können.

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    1. Naja, es geht. Ich lege schon etwas Wert auf versuchte Neutralität mit dem Schuss persönlicher Note. Da hängt wohl etwaszu sehr die Akademikerin in mir raus. *seufz*
      Ja, danke dass du das sagst! Der Film blieb seinem Hype doch etwas mehr schuldig, als gedacht. Sehe es genauso, wie du es beschreibst.

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  4. Der Score von Johanson ist ziemlich einnehmend und kommt im Kino (wie du ja feststellst) besonders gut. Das kann ich bestätigen. Ich hab den Film nämlich im Kino gesehen. Glücklicherweise…

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