[Film] Hotarubi no Mori e (2011 JP)

#Japanuary.
Eine Idee von Filmbegeisterten, die am 26. Oktober 2017 völlig spontan zu einer ausgewachsenen Challenge ausuferte. Ideengeber: der Twitterer @politikundliebe. Ausführende Organe: Abspanngucker, Schöner Denken und Kompendium des Unbehagens. Diese unterhielten sich an diesem Tag über irgendetwas, Legenden sprechen von Filmen… und Japan… und plötzlich wurde jeder Filmblogger und -Podcaster im Filmverzeichnis dazu aufgerufen, teilzunehmen und unter dem Hashtag ‚Japanuary‘ viele japanische Filme zu gucken, besprechen und gemeinsam zu zelebrieren. Wer die Idee an dem Abend noch für einen kleinen Scherz hielt, der staunte am nächsten Tag nicht schlecht, als bereits rudimentäre Formalien und die ersten Teilnehmer ihre Zusage gaben. Tja. So schnell kann’s gehen und ich ergreife die Chance, einfach mitzumachen.
Falls ihr denselben Gedanken hegt:

Das Prozedere

Japanuary-Letterboxd

Acht Filme aus Japan gilt es zu schauen und zu besprechen (idealerweise pflegt ihr irgendwo eine Liste – evtl. auf Letterboxd), mit dem Ziel, sich an der nationalen Kinematografie zu erfreuen und darüber auszutauschen. Gesammelt werden die Teilnehmer im Verzeichnis bei Schöner Denken. Wir zählen übrigens gute 100 Teilnehmer.
Auch ich bin dabei und habe bereits den ersten Film im Gepäck. Natürlich ein Animationsfilm. Denn ihr wisst ja, wie sehr ich die japanische Animationsindustrie liebe und schätze.

Hotarubi no Mori e (Into the Forest of Fireflies‘ Light)

Time might separate us some day. But, even still, until then, let’s stay together.

Die Rede ist von Hotarubi no Mori e, einer Mangaadaption, die gerade einmal 45 Minuten Laufzeit zählt. Es ist wirklich eine Schande, dass genau dieser Film in Deutschland bisher keinen Vertrieb gefunden hat. Passt diese Geschichte doch so gut in den aktuellen Kanon lizensierter Animefilme, welche immer etwas Melancholie und Sehnsucht mitschwingen lassen. Seien es nun Filme von Hosoda, Shinkai oder Miyazaki. Oder gänzlich andere Akteure der (digitalen) Zeichen- und Animationskunst. Aber zurück zum Film:

Das sechsjährige Mädchen Hotaru Takegawa verirrt sich an einem heißen Sommertag in einem  Wald, welcher spirituelle Wesen und einen Berggott beherbergen soll.  Voller Verzweiflung findet sie den Weg nicht mehr zurück. Da erscheint ein junger Mann namens Gin mit Fuchsmaske vor ihr und bietet ihr an, den Weg aus dem Wald heraus zu zeigen. Erleichtert will sie sich dem Fremden in die Arme werfen. Doch dieser hält sie auf Distanz – aus Angst, berührt zu werden und zu verschwinden…

Hotarubi no Mori e erzählt auf dem Papier nicht viel: Ein junges Mädchen irrt im Wald umher und wird von einem mysteriösen jungen Mann gefunden. Doch was sich daraus entwickelt, ist eine wundervolle Geschichte voller jugendlicher Unbekümmertheit und Sehnsüchte, die an dieser Stelle aus Spoilergründen nicht weiter ausgeführt werden soll.

Ich kannte die kurze Geschichte (sie erschien als Einzelgeschichte in einer übersichtlichen Kompilation von Midorikawa Yuki) – leider wurde auch diese nie im englischsprachigen Raum lizenziert – bereits in Mangaform und war wiedermal  überrascht, wie sehr sich so eine kurze Erzählung von nicht einmal 50 Seiten im Herz einnisten kann. Es geht gar nicht mal um die Geschichte selbst, die hier so lange wiederholt wird, bis sie sich einmal verändert und aus ihrem Trott ausbricht. Es geht vielmehr darum, wie die darin verarbeiteten Themen von Kindheit und Jugend, sommerlichen Gefühlen und Nähe zu Distanz in Bilder gefasst werden.

Wer erinnert sich nicht gerne an seine Kindheit und die damit verbunden sommerlichen Ausflüge in die Natur zurück? Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie ich im Sommer von Südhessen aus nach Brandenburg zu meinen Großeltern gefahren bin. Ein kleines Häuschen in der Nähe der Havel. Ein alter Kahn und die paar Angelausflüge, die an heißen Sommertagen so lebhaft in Erinnerung geblieben sind. Oder manchmal, kurz nach dem Abendessen zwei Stunden allein auf dem Wasser, den Kopf freikriegen, die Fische ärgern.

Hier im Film ist es ähnlich: Dieser Genuss der Natur und den damit verbunden gemeinsamen Erfahrungen, die Hotaru und Gin machen. Es resoniert so schön, auch wenn, oder gerade weil man sich manchmal doch wünschte, nicht alleine zu sein. Jemanden an seiner Seite zu haben. Mit jemandem diese schönen Zeiten zu teilen. Und das macht diese einfache Geschichte so greifbar. So erfahrbar. Man fühlt sich so jung und ungezwungen, bis man erwachsen wird. Und man feststellt, was man an diesen Momenten im Sommer immer gehabt hat. Etwas, von dem man irgendwann wegkommt. Ob durch äußere Einflüsse oder innere. Ja. Man wächst da heraus. Den wundervollen Tagen  und den zugehörigen Gefühlen wird nachgetrauert. Und doch kann man hin und wieder mit einem Lächeln auf den Lippen an genau diese Situationen denken. So wie ich gerade. Und das ist eine ganz tolle Eigenschaft von Hotarubi no Mori e. Dieses Bewusstmachen, dass so etwas nie verloren ist. Dass es manchmal schmerzt, weil es anders ist als früher. Aber es hindert einen nichts daran, es einfach nochmal so zu machen. Wieder zu lachen. Schöne Erfahrungen zu machen. An alte Zeiten anzuknüpfen. Wenn auch nur für einen kurzen Moment. So wie es Gin und Hotaru Sommer für Sommer auf’s Neue machen. Ihre gemeinsame Zeit miteinander genießen.

Hotarubi no Mori e ist, formal gesprochen, ein netter Film. Die Animationen sind gut, mit einigen Ausreißern nach oben, wenn sich kleine Details wie Reflektionen einer Wasseroberfläche im Bildraum verstecken. Der Soundtrack ist unauffällig, die Handlung selbst lässt sich tatsächlich auch schon nach wenigen Minuten erfassen.
Aber was ganz und gar nicht einfach ist, das ist die emotionale Ebene, auf welcher dieser Animationsfilm von Omori Takahiro funktioniert. Solange man sich als Zuschauer mit den Bildern und den Figuren, Gin und Hotaru, identifizieren, beziehungsweise auch nur ein Stück weit ihre jeweiligen Gefühle und Sehnsüchte nachvollziehen kann, ist das Ziel von Hotarubi no Mori e schon erreicht. Diese 45 Minuten spiegeln so viel persönliches wieder, dass es eine wohlige Welle der bittersüßen Melancholie verursacht.

10*/10

Hotarubi no Mori e
Jahr: 2011 JP | Laufzeit: 45 Minuten
Genre: Anime, Drama, Romance, Shoujo, Supernatural | Studio: Brain’s Base
Regie & Drehbuch: Omori Takahiro (liter. Vorlage: Midorikawa Yuki)
Cast:
Gin – Uchiyama Kouki
Takegawa Hotaru – Sakura Ayane
Ryouta – Taya Hayato
Mother – Sawada Izumi

(englische Untertitel können im Video dazu geschalten werden)

Bilder [©緑川ゆき・白泉社/「蛍火の杜へ」製作委員会 ]

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