The Kirishima Thing (2012 JP)

Japanuary #5

Na vielleicht klappt es noch, mit den acht geplanten Filmen! Mit The Kirishima Thing geht es jedenfalls munter weiter. Und das, obwohl ich mit Funuke Show Some Love You, Loser! erst einen anderen Film in der Planungsliste hatte… Aber wo kämen wir denn da hin, wenn ihr nochmal über etwas lest, über das ich vor einiger Zeit schon einmal schrieb?

Wie es der Zufall so wollte (und nein, ich hatte vorher nicht nachgesehen), handelt es sich jedoch in beiden Fällen um den selben Regisseur: Yoshida Daihachi. Während Funuke einen galligen Humor bedient, liefert Yoshida fünf Jahre später eine gänzlich andere Gangart ab. Aber worum geht es in The Kirishima Thing?

Es ist ein gewöhnlicher Schultag, mit der Ausnahme, dass Kirishima, der Starathlet des Volleyballclubs, nicht in der Schule erscheint. Keiner weiß warum, keiner weiß wo er sich rumtreibt, oder wie er zu erreichen ist. Er ist spurlos weg. Was zunächst für leichte Unruhe sorgt, entwickelt sich zu einem spannungsgeladenen Portrait einer japanischen Schulklasse. 

 

Es ist nicht leicht, über diesen Film etwas passendes zu schreiben. Schon während des Sehens wurde mir das bewusst, und auch mit Abstand tue ich mich noch schwer, die richtigen Worte zu finden. War es grotesk, was ich gesehen habe? Nun… War es nüchtern? Etwas. War es… authentisch? Ich weiß nicht. Vielleicht. Vielleicht auch nicht? Keine Ahnung. Es war einfach alles. Verrückt, nicht wahr?

Nun, was sich über The Kirishima Thing schreiben lässt, ist das:
Es ist ein verrücktes Filmchen, obwohl es in allen Belangen völlig normal ist. Der Schulalltag einer japanischen Schule wird in fast schon dokumentarisch nüchternen Bildern eingefangen, in dem ein Schüler – oder wie es hier eher passt: ein gesellschaftlicher Fixpunkt – plötzlich nicht mehr auftaucht.
Die Frage, die Yoshida nun unkommentiert in den Raum stellt, ist folgende:

Wie reagiert das soziale Geflecht der Schule auf diesen Umstand?

Aus verschiedenen Perspektiven, jeweils immer ein kleines Stück weit versetzt und mit winzigen, zusätzlichen Details auf dem Weg zur Auflösung versehen, lässt sich ein Schulalltag beobachten, der völlig aus den Fugen gerät und Rollenbilder entrückt, die zuvor noch festgefahren schienen. Maeda, der Leiter des Filmclubs, der als Außenseiter dieses sozialen Gefüges eigentlich nur seine Vision von einem Film drehen möchte und am liebsten niemandem außerhalb seines Kreises über den Weg laufen möchte, Kikuchi, ein beliebter Schüler, der sich stets vor seiner Baseball-Clubaktivität drückt, Risa, die Freundin Kirashimas, die mit der Situation verständlicherweise so gar nicht zurechtkommt, Higashira, welche ein wenig als Bindeglied zwischen diversen Figuren fungiert, oder eben die klassische lästernde Mädchenclique… Zwar mögen hier zahlreiche Stereotype versammelt sein, wie man sie aus eigenen Schulzeiten nur zu gut wiedererkennt, aber diese Ensemblebesetzung ist super. Sie alle fördern charakteristische Eigenheiten und kleine Geschichten zu Tage, die in diesem Schulkonstrukt peu à peu aufgedröselt werden. Aber sie, die Geschichten, stehen nicht im Fokus und werden lediglich unterschwellig nebenbei behandelt. Sie werden auch nicht gänzlich offengelegt oder zu Ende erklärt. Vieles wirkt dadurch wie eine Momentaufnahme und verleiht dem Ganzen eine natürliche Note.
Das passt zu dem Film, der unter anderem mit sozialen Grenzen und Konflikten spielt. Obwohl er es nur in Schlüsselmomenten zeigt, wird doch deutlich, wie wenig die Klassenkameraden von sich wissen. Da werden bewusst und unbewusst Dinge missverstanden und soziale Barrieren errichtet, vorgefertigte Rollenbilder bedient, in denen sich die Figuren gezwungenermaßen bewegen müssen. Gerade Hobbyregisseur Maeda kann einem fast schon leidtun, wie er von seiner Gruppe wortlos vorgeschickt wird, um einen Drehort für das Projekt des Filmclubs klarzumachen…
Da ist es spannend zu beobachten, wie sich die Dynamik zusehends verändert und in schleichenden Schritten eine Eskalation der Situation droht.

Regisseur Yoshida stellt sich dabei sehr geschickt an. Er erzählt nicht stringent nach vorn – er geht in die Breite. So muss er auch keine Konflikte etablieren. Die Konflikte sind schon da. Sie schwelen unter der Oberfläche der Schule. Dadurch muss er nur die Kamera draufhalten und die Figuren machen lassen. Ihren klassischen Schulalltag verfolgen. Konfrontation entsteht aus ihren Rollen heraus, ausgelöst durch den Wegfall einer gewohnten Struktur. Von der nur niemand weiß, wie wichtig sie ist.

Irgendetwas daran ist völlig grotesk. Und genau darin liegt in The Kirishima Thing der Reiz: An sich ist hier gar nichts grotesk. Es ist fast schon normal, wie hier jeder mit der Situation umgeht. Bis die Situation unausweichlich auf die Spitze getrieben und Grenzen überschritten werden. Zum Teil auf skurrile, zum Teil aber auch auf bittere Art und Weise. Eine Überdramatisierung des Geschehens findet dabei aber nur selten statt. Und das ist die hohe Kunst dieses mehrfach ausgezeichneten Dramas.

7,5-8/10 Punkte

The-Kirishima-Thing-(2012-JP)---PosterThe Kirishima Thing [Kirishima, Bukatsu Yamerutteyo; 桐島、部活やめるってよ]
Jahr: 2012 JP | Laufzeit: 103 Minuten
Regie: Yoshida Daihachi | Drehbuch: (+) Kiyasu Kôhei (liter. Vorlage: Asai Ryo)
Kamera: Kondô Ryûto
Musik: Kondô Tatsuo
Cast:
Kamiki Ryûnosuke, Hashimoto Ai, Ohgo Suzuka, Higashide Masahiro, Shimizu Kurumi, Yamamoto Mizuki, Matsuoka Mayu, Ochiai Motoki, Asaka Kôdai, Maeno Tomoya, Suzuki Nobuyuki, Fujii Takemi, Taiga

Bilder [© Video Audio Project (VAP)]

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