[Serie] Marvel’s Daredevil – Staffel 1 (2015 US)

Meine Stadt, mein Bezirk, mein Viertel, meine Gegend
Meine Straße, mein Zuhause, mein Block

Yeah. Das ist Staffel 1 von Marvels Netflixformat Daredevil. Im Kampf gegen die Ungerechtigkeit von Wirtschaftsbossen gegenüber den armen Mittelschichtlern im New Yorker Kabuffviertel Hell’s Kitchen, befindet sich Anwalt Matt Murdock (Charlie Cox) im Konflikt mit sich selbst. Sort off. Ihm liegt etwas an der Stadt und deswegen schlüpft er allnächtlich in schwarze Kleidung und verkloppt die bösen Jungs.

Die Serie macht es mir nicht so leicht, denn sie hat definitiv einiges an gekonntem zu bieten. Die atemberaubende Inszenierung der Kampssequenzen, einen vielschichtigen Schurken der nicht nur auf schwarz/weiß Denken geeicht ist und eine an sich nette Darstellerriege.

Und dennoch haue ich es gleich zu Beginn raus: Es ist mir sowas von egal. Weder kommt die alles umfassende Geschichte zu Potte, noch verspüre ich Empathie gegenüber den wichtigen Figuren. Auch wenn Charlie Cox den blinden Rächer glaubwürdig rüberbringt, so geht seine „Ich rette die Stadt vor dem Abschaum“ – Attitüde schon viel zu früh auf den Wecker. Denn mehr wird ihm nicht entlockt. Mehr wird der gesamten Serie nicht entlockt. Alles ist scheiße und deswegen müssen sich ein paar kleine Leute zu den Rettern der Stadt aufschwingen. Der interessante Konflikt, nämlich Selbstjustiz gegen Justizsystem, verkommt zur Farce, da mit Murdock ein so sturer Bock am Werke ist, der vor seinen Freunden ständig vom ehrbaren Rechtssystem predigt, aber doch lieber zur Faust greift, wenn ihm keine besseren Methoden einzufallen wissen. Wie leicht gedacht. Wie langweilig auf Dauer umgesetzt.
So entwickelt sich früh ein Schema, das Folge für Folge abgearbeitet werden muss. Immerhin versucht die Serie dabei, ihre Charaktere voranzubringen, drängt diese zu Entscheidungen, für deren Handlungen sie dann auch die Konsequenzen tragen müssen. Das bewegt sich jedoch in so einem kleinen Rahmen, dass das Interesse zwangsläufig verloren geht, ihnen auf ihren unterschiedlichen Pfaden zu folgen. Es ist schwer in Worte zu fassen, warum ich so hin und hergerissen bin. Auf der einen Seite wird ihnen so Glaubwürdigkeit vermittelt, weil keine abrupten Kehrtwenden stattfinden, sondern unentwegt so gehandelt wird, wie sie der Meinung sind, das richtige zu tun. Dennoch ändert das nichts an der Tatsache, wie das alles (an mir) unbeteiligt vorüberzieht und der faszinierendste Charakter lediglich eine Nebenrolle innehat:

tumblr_nmzb7oujlz1qbqad4o1_250
Wesley (Toby Leonard Moore)

Überhaupt sind es doch gerade die Nebenrollen wie die des persönlichen Assistenten Wesley, die dem ganzen angenehme Rundungen verleihen, aus dem stoischen Gerüst ausbrechen und aufgrund ihrer Unberechenbarkeit an der Spannungsschraube ziehen, oder dem Gesamtkonzept ein paar neue Sichtweisen abringen. Diese Eigenschaften hätte ich nur zu gerne auch auf die Hauptfiguren übertragen gesehen, leider stehen deren Entschlüsse jedoch schon von Folge eins an unrüttelbar fest. Wahrscheinlich ist das auch der Grund, warum mich Marvel’s Daredevil schlussendlich nicht zu hooken vermochte.

Aber halt. Es ist ja nicht alles unbemerkt geblieben. Die Optik ist wie oben schon gezeigt, sehr hübsch. Der nihilistische Ton, den später auch in Marvel’s Jessica Jones wieder aufgegriffen wird, kommt hier wunderbar zur Geltung. Bekommt der ‚Held‘ ordentlich eine gepfeffert, bleibt er am Boden liegen, weil er nicht mehr kann. Immersive storytelling. Nice try, denn leider wird das gegen Ende hin nicht gänzlich durchgezogen. Aber darüber möchte ich hinwegsehen, denn hier wird der selbsternannte Pseudoheld noch immer als Mensch gehandelt, der sich das meiste hart erarbeiten musste und nicht in den Schoß gelegt bekam. Was außerdem ziemlich cool gemacht ist, sind die kleinen Details, die Matt Murdocks geschärfte Sinne betreffen.

Ich sehe die Welt in Flammen

wäre mir zwar nicht als erstes in den Sinn gekommen bei einem erblindeten Kerl, aber nach und nach ergibt das Sinn und führt seine Sichtweise (no pun intended) auf eine neue Ebene. Die Methoden mit denen diese Sinneswahrnehmungen umgesetzt wurden, sind nicht zu aufdringlich geraten und ziehen die Faszination auf sich, weil es tatsächlich nachvollziehbar gehandhabt wird (bis zu einem gewissen Grad natürlich).

Was mich allerdings wieder etwas in die Bredouille bringt, sind die schauspielerischen Leistungen. Hier spielt niemand schlecht, Vincent D’Onofrio als Wilson Fisk bspw. spielt so grazil zweischneidig, dass es eine Wonne ist, ihm dabei zuzusehen. Allerdings litt sein Charakter unter dem Umstand, dass die Serie so viel Zeit mit ihrer Einführung vergeudete und nicht rechtzeitig am Ruder reißt, um wirklich vom Charisma dieses Mannes zu profitieren. Er wird so 0815-mäßig eingeführt und anders als bei Kilgrave (David Tennant) in Jessica Jones fehlte mir der Kracher, um wirklich von Anfang an von ihm gebannt zu werden, was bei so einem Kerl ziemlich… schade ist. Ansonsten sollten noch Deborah Ann Woll als Karen Page sowie Elden Henson als „Foggy“ Nelson erwähnt werden, die als Fundament des Kanzleitrios zu nennen sind. Während Foggy in den ersten Folgen so unsagbar nervig daherkommt, sich jedoch glücklicherweise zügig fängt, ist es wohl Deborah Ann Woll, die mit natürlicher Hingabe besticht. Sie spielt so treffend die typische Durchschnittsfrau mit Biss, ohne dass sie sich dabei in den Vordergrund drängt. Vermutlich war es diesem Stil geschuldet, warum ich sie von Anfang an so mochte, obwohl mir manches weniger passte… Und last but not least eine honorable mention, denn Rosario Dawson geht einfach immer, zumal sie in das Geschehen so sinnvoll implementiert ist, dass man sich auf ihr Erscheinen schon im Voraus freuen kann. Wenn Sympathie und moralische Argumente Hand in Hand gehen… sehr schön.

Marvel's-Daredevil---Charlie-Cox---Rosario-Dawson
Murdock ist in guten Händen

Anyway, Marvel’s Daredevil weiß genau wo dessen Stärken und Schwächen liegen und spielt erstere gekonnt aus. Leider bewegt sich die Serie zu eng in ihrem selbstgestrickten Rahmen und versäumt es zuweilen, den spannenden Aspekten mehr Spielraum zu gewähren, wodurch gerade gegen Ende hin alles schnell abgehandelt und ein bisschen zu einfach aufgelöst wird, während zu Beginn alles vor sich hin siecht. Ich gebe es ganz ehrlich zu, mein Fall war die Serie bisher noch nicht, weswegen mir auch das Schreiben darüber sehr schwer fiel. Vielleicht ändert sich das ganze ja mit Staffel zwei. Vorher werden jedoch andere Projekte bevorzugt gehandelt.

5/10 Punkte

Marvel's-Daredevil---PosterMarvel’s Daredevil
Jahr: 2015 US
Idee: Drew Goddard
Genre: Action, Krimi, Drama
Cast:
Charlie Cox, Deborah Ann Woll, Elden Henson, Vincent D’Onofrio, Royce Johnson , Geoffrey Cantor, Toby Leonard Moore, Vondie Curtis-Hall, Bob Gunton, Ayelet Zurer, Susan Varon, Peter Shinkoda, Dawson, Peter McRobbie, Matt Gerald, Wai Ching Ho, Scott Glenn, Daryl Edwards, Nikolai Nikolaeff

Bilder [© 2015 Marvel]

16 Kommentare zu „[Serie] Marvel’s Daredevil – Staffel 1 (2015 US)“

  1. Dafür, dass dir das Schreiben schwer fiel, ist aber erstaunlich viel dabei rungekommen, auch wenn ich – wie du weißt – einige Kritkpunkte nicht unterschreiben kann, den ‚Daredevil‘ ja allgemein weit positiver wahrgenommen habe. Zumindest aber der von dir genannte Konflikt „Selbstjustiz gegen Justizsystem“ kommt in der zweiten Staffel WEIT deutlicher zum tragen, immerhin. Und ja, Wesley fand ich auch großartig, nicht von Anfang an, aber er wuchs mir mit jeder Folge mehr ans Herz. Und was du auf Rosario Dawson anwendest, übertrage ich für meinen Teil auch auf Deborah Ann Woll – geht immer ;)

    Gefällt 1 Person

    1. Manchmal wäre weniger mehr. Aber so ist das mit dem Unvermögen, sich kurz zu fassen…
      Ja, ich habe deinen Text schon gelesen und kann auch alles was du schreibst nachvollziehen. Und obwohl ich selbst weiß, dass diese Serie eigentlich alles hat, was sie auch stark macht, so war es am Ende der berühmte Funken, der einfach nicht überspringen wollte. Aus welchem Grund auch immer, aber manchmal lässt sich das gar nicht so genau fassen.
      Auf Staffel 2 schaue ich sehr skeptisch. Ja, auch weil mir die hier schon nicht so zusagte, aber ich kann Jon Bernthal seit TWD überhaupt nicht ab. Puh, da bin ich mal gespannt ob er trotzdem was reißen kann. Die Menge jubelt jedenfalls.
      Hehe, sehr schön. Gerade gegen Ende spielt Woll richtig stark auf!

      Gefällt 1 Person

      1. Ja so ist das eben mit dem Funken, soll halt manchmal nicht sein, kenne ich auch – und anfänglich hatte ich hier auch das Gefühl, also mehr so eine ganz unterschwellige Angst, dass ich mit dem Stoff nicht warm werden könnte, aber bei mir hat sich das schnell gelegt, bei dir hat es sich eben durchgezogen.

        Tja, Bernthal in Staffel 2 ist so eine Sache, ich dachte nach TWD auch, ihn nicht mehr zu mögen, aber dann habe ich ihn als Punisher gesehen und wow! Aber hilft dir auch nichts, weil ich die Serie toll fand und du eher geht so. Das wird sich dann vermutlich auch in der zweiten Staffel nicht wie durch Zauberhand ins Gegenteil verkehren.

        Gefällt 1 Person

        1. Genau.
          Na mal sehen. ‚Ne Chance bekommt die Staffel sowieso. Die Hoffnungen sind also noch nicht begraben. Aber ihr werdet es dann lesen, wenn es so weit ist. :)

          Like

  2. Oh, das dürfte die Kritik sein, bei der „Daredevil“ am schlechtesten wegkommt. Aber du hast durchgehalten. Ich glaube bei Serien, die deutlich unter der 6/10 bleiben, hätte ich spätestens nach der Hälfte aufgegeben. Auf jeden Fall spannend eine Gegenmeinung im Vergleich zu all dem Lob zu lesen. (Ich selbst kenne die Serie ja nicht.)

    Gefällt 1 Person

    1. Mhh. Du wirstsie mögen. Das weiß ich. Denn sie hat ihre Qualitäten, und ab Folge 9(!) hatte sie auch ordentlich Tempo drauf, dass das Durchhalten zumindest belohnt hat. Keine Ahnung was gerade los ist, denn eigt. hätte ich sie mögen _müssen_. Die hat nämlich alles, was etwas anspruchsvolleres braucht.
      (Ich verstehe es ja selbst nicht…) ;)

      Gefällt 2 Personen

  3. Ich gehöre zu denen, die die erste Season sehr abgefeiert haben (allerdings gehöre ich auch zu den wenigen, die mit „Jessica Jones“ nichts anfangen konnten). Ich mochte die erste Staffel und muss mich jetzt unbedingt demnächst mal an die zweite setzen.. bin schon sehr gespannt auf den Punisher.

    Like

    1. Kann mich nur wiederholen. Vllt. wäre Daredevil besser weggekommen, wenn ich mit der Serie angefangen hätte. So hatte ich mich zu sehr an den Stil von JJ gewöhnt. Staffel 2… mal sehen. Wird ja derzeit in den Himmel gelobt. Ich wünsche viel Spaß dabei. Werde dann bei dir reinschauen, wenn du durch bist.

      Like

  4. ich teile über weite Teile deine Argumentation und sehe es da sehr ähnlich, bei der Bewertung kam sie bei mir dann aber ein wenig besser weg :D
    mir kams aber auch ein wenig so vor, als fehle irgendwas. Auf dem Papier ist zwar alles sehr gut bis perfekt und es gibt einige schlicht und ergreifend atemberaubende Kameraeinstellungen und Kampfchoreographien, aber irgendwie fehlt der letzte Funke. Allerdings fand ich, dass die gelegten Grundlagen mehr als ausreichend waren um weiter zu schauen – auch wenn das noch nicht geschehen ist :D
    Jessica Jones hat dir besser gefallen? (und spoilerst du in deiner Kritik zu JJ? :D bin noch nicht über die ersten drei oder vier Folgen rausgekommen^^)

    Gefällt 1 Person

    1. Womöglich wäre es beser gelaufen, wenn ich die Serien nach Veröffentlichungsfolge gesehen hätte. JJ hat mMn mehr Tempo drauf, hier glich es mehr einem zurücklehnen.
      Ja, ist knifflig festzulegen, was letzten Endes wirklich fehlt.
      Wie gesagt, ja, JJ hat mir mehr Spaß gemacht, weil ich so gut wie kaum Probleme mit der (Anti-)Heldin hatte. Hier ging mir die Weltverbesserei ja ziemlich auf den Sender. Und nein, ich spoilere nicht. Bin gerade nochmal rübergegangen um mich zu vergewissern. Ob es dir jedoch gefallen wird, was du lesen wirst… ;)

      Like

      1. Spaß finde ich im Zusammenhang mit JJ irgendwie ein schwieriges Wort :D wie gesagt, bei mir waren es bislang nur die ersten drei, vier Folgen (die qualitativ sehr gut waren und eigentlich auch besser als DD), aber die Stimmung war dermaßen depressiv :D
        danke fürs nachschaun, dann werf ich gleich mal nen Blick drauf :)

        Gefällt 1 Person

        1. Ah, sorry. Ich stehe einfach auf diese deprimierende Welt und die daraus resultierenden Gewaltausbrüche. Solange es nicht zu übertrieben ist. Hier haben sie mMn genau das richtige Maß erwischt. Aber das ist ohnehin Geschmackssache.
          Bin auf dein Resümée gespannt, wenn du mit der Serie durch bist!

          Gefällt 1 Person

Deine Meinung:

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..