[Film] The First Avenger: Civil War (2016 US)

Das Erfolgskonzept von Marvel geht weiter auf, die Bilanzen sehen jetzt schon strahlend aus. Und für eine ganze Weile habe auch ich im Kino gestrahlt, wie zuletzt beim Politthriller The Return of the First Avenger: The Winter Soldier. Denn auch hier durften wieder die Russo-Brüder Anthony und Joe Regie führen und setzten damit ihren politischen Diskurs innerhalb des Superheldenfranchise gebührend fort. Denn mit Civil War ist die Avengers-Angelegenheit nicht mehr als nationales Problem eingestuft, sondern als ein internationales. Und das wird durchaus clever angegangen.

Wer den Film noch völlig unbefangen sehen möchte, läuft hier u.U. Gefahr, in unbeabsichtigte Spoiler zu laufen. Zwar versuche ich mich möglichst grob zu halten, aber ich lasse vorsorglich eine kurze Warnung da!

Wer den Tonus von The Winter Soldier schon mochte, der wird auch hier wieder vollends bedient. Wieder manövrieren sich die Avengers, oder zumindest ein Teil der Gruppe, in einen Zwischenfall, wieder nehmen die Schäden größere Ausmaße an und wieder reichen die Geschehnisse bis in die höchsten politischen Kreise, in denen neben Politik auch Moral und persönliche Leitlinien eine gesonderte Rolle spielen. Und wie es der Titel des neuesten Franchise-Ablegers ankündigt, trennen sich die moralischen Grundsätze innerhalb der Gruppe, was weitreichende Folgen für die weitere Erzählung haben wird. Oder auch nicht.

Aber beginnen wir von vorne. Was den Russos gelingt, ist ein imposanter Einstieg in Civil War. Fantastisch getimte Action mit ebenso guter Showessenz der einzelnen Marvelhelden, wobei hier nochmal gesondert erwähnt werden will, dass die Damen Black Widow (Scarlett Johansson) und Scarlet Witch (Elizabeth Olsen) ganz klar die Show ihrer Kollegen stehlen und richtig sehenswert in Szene gesetzt sind. Hier ist noch nichts in überbordendem Maße zu finden, Action und Drama halten sich die Waage. Der Konflikt, der die ganzen Ereignisse lostreten wird, ereignet sich im Eifer des Gefechts und bietet mehr als genug fruchtbaren Boden, um daraus eine politische Ebene zu ziehen, was der Film auch prompt macht.  Nebenbei darf aber auch zeitgleich nicht die Einführung eines greifbaren Gegenspielers fehlen, der von Daniel Brühl ziemlich lässig verkörpert wird. Dennoch kommt man um die Frage nicht herum, ob es wirklich immer notwendig ist, dem Bösen ein Gesicht zu verleihen, anstatt den Zuschauer im Dunkeln tappen zu lassen und so mit dessen Erwartungshaltung zu spielen. Aber das ist nur ein kleiner Gedanke, der keine weitere Rolle spielen soll. Er dient als Bindeglied in die Vergangenheit, entbehrt also nicht jeglichem Nutzen und treibt die Geschichte aus dem Hintergrund voran.
Was weiter auffällt, ist, wie natürlich sich der Film im Universum ansiedelt und mit zahlreichen Querverweisen um sich wirft. Mittlerweile sind es schon so viele, dass ich mich im ersten Moment tatsächlich schwertat, die bisherigen Ereignisse und kurzen Dialogfetzen in den Gesamtkontext der bisherigen Filme einzuordnen. Es wird immer fülliger, wodurch es immer schwerer wird, diesen Details im jeweiligen neuesten Teil ausreichend Aufmerksamkeit zu verschaffen, um wirklich das Gefühl zu erhalten, es mit waschechten Konsequenzen zu tun zu bekommen, die mit jedem weiteren Teil zunehmen. Gelingt hier etwas abgekürzt, dennoch gut genug, um den titelgebenden Konflikt zu schaffen. Der übrigens etwas sehr hoch gegriffen scheint, aber dazu später mehr.

Ein bisschen Skepsis machte sich breit, als der gesamte Cast bekanntgegeben wurde und auf zahlreiche, (noch nicht ins MCU eingeführte) Superhelden setzte. Nun verhält es sich so, dass tatsächlich die meisten genug Background erhalten und mit ziemlicher badass-Attitude eingebracht werden. Der Black Panther rockt ziemlich, Ant-Mans naive Art geht auch im Zusammenspiel mit den anderen einigermaßen auf. Nun bemüht sich Civil War jedoch sichtlich darum, auch den bekannten Gesichtern ihren Auftritt zu gewähren. Was wiederum bei manchen mehr klappt, bei manchen weniger. Im ersten Akt sind die Bindungen und Sympathien glasklar abgesteckt. Die Motive sind klar: Wenn man es schon kann, dann kann man die Welt auch auf eigene Art verändern und dabei auf das Herz hören. Oder man kann sich den (eigenen) ethischen Grenzen unterwerfen und aus der Vergangenheit lernen. Wo der Film nun aber ins Schwanken gerät, setzt sich aus zwei verschiedenen Dingen zusammen. Auf der einen Seite, wo wir schon bei Sympathien sind, werden nicht alle Handlungsmethoden zufriedenstellend erklärt. Warum schließt sich Hawkeye (Jeremy Renner) Team Cap an? Er taucht auf, stellt sich auf seine Seite und schert sich um nichts weiter. Ohnehin gefällt mir seine arrogante Art immer weniger, aber hier zeigt sich überhaupt kein Nutzen aus seiner Einbindung in das Geschehen. Numerischer Ausgleich? Die wahrscheinlich einzige Erklärung dafür. Ebenso der plötzliche Wandel einer Figur, die in unmittelbarem Zusammenhang mit Hawkeye steht. Und nein, ich meine nicht Black Widow… Hier übereilen sich die eigenen Anforderungen am Zeitmanagement des Films und scheitern an konsequenter Narrative. Mit welcher es Civil War ohnehin bei fortschreitender Laufzeit immer weniger am Hut zu haben scheint.
Ein weiterer, schwerwiegender Kritikpunkt ist die erzwungene Einführung eines für die Geschichte völlig irrelevanten Superhelden. Die Rede ist von Spider-Man (Tom Holland). Nicht nur verbraucht der Film zu viele Ressourcen, um die Eingliederung ins MCU zu ermöglichen, es ist auch der Moment, an dem der komplette Film kippt. Vom gehobenen Anspruch straight to the ground. Denn der ernste Ton geht in unsäglichem und noch dazu weitestgehend floppenden Oneliner-Humor über, was den Mid-Showdown, der so ausufernd ist, dass es locker als Finale hätte gelten können, unerträglich langweilig macht. Jetzt stehen sich die beiden Seiten gegenüber, die Motive der einzelnen mal mehr mal weniger klar beleuchtet, und hauen sich kurz und klein. Aber nicht einmal das passiert! All die Konsequenzen, die vorher so schön vorgestellt und angeprangert werden, greifen nicht, weil sich Marvel vor der Entschlossenheit der angepeilten Geschichte verschließt. Am Ende verkommt der Kampf zu einer mickrigen Schulhofklopperei, bei der nicht nur dämliche Sprüche gerissen werden, die genau das eigentlich anprangern sollten und schlussendlich blöde parodieren, auch sitzen am Ende (fast) alle wieder fröhlich im selben Boot und prosten sich zu.

Wo der Trailer munter eine bestimmte Szene propagiert, wird auch das nicht völlig durchgezogen (zugegeben, ich bin auch ganz froh drum), was der Auseinandersetzung wieder jeglichen Sinn abspricht. Am Ende muss es dann ein dritter Plotpoint richten, der… aus dem Hut gezaubert scheint und, zumindest aus meiner Sicht, den eigentlichen Bezug zur Handlung verliert. Darüber kann man sich sicherlich streiten, deswegen möchte ich noch einmal betonen, dass das nur meine ganz persönliche Meinung ist. Natürlich wurde die Tür vorsorglich geöffnet, aber warum man dann wieder auf sowas zurückgreifen muss, ist wieder so schematisch langweilig ausgerichtet.
Immerhin darf nun zum großen Finale hin nochmal ein Face-to-Face-Geraderücken der Ereignisse stattfinden, was zumindest einiges wieder relativiert. Doch auch hier wird sich im finalen Akt wieder strikt geweigert, die einzig logische Schlussfolgerung durchzuziehen und stattdessen auf Nummer sicher zu gehen. Erinnert mich irgendwie an die letzte Szene aus Batman v Superman: Dawn of Justice, der exakt den gleichen Fehler begeht.

Am Ende gibt sich The First Avenger: Civil War damit zufrieden, ein Hybrid aus gekonnt politisiertem Moralitätsgemenge und viel zu nachsichtiger Superheldenkomödie mit Handschlag zu sein. Der Mix misslingt und trübt den hohen Unterhaltungswert, den der Film dennoch bietet. Es hätte nur mehr Beständigkeit gebraucht, um dem gigantisch anmutenden Beititel auch gerecht zu werden.

6,5/10 Punkte

The-First-Avenger-Civil-War-PosterThe First Avenger: Civil War [Captain America: Civil War]
Jahr: 2016 US
Laufzeit: 147 Minuten
Regie: Anthony & Joe Russo Drehbuch: Christopher Markus, Stephen McFeely
(Comicvorlage: Mark Millar)
Kamera: Trent Opaloch
Musik: Henry Jackman
Cast:
Chris Evans, Robert Downey Jr., Scarlett Johansson, Sebastian Stan, Anthony Mackie, Don Cheadle, Jeremy Renner, Chadwick Boseman, Paul Bettany, Elizabeth Olsen, Paul Rudd, Emily VanCamp, Tom Holland, Daniel Brühl, Frank Grillo, William Hurt, Martin Freeman, Marisa Tomei, John Kani, John Slattery, Hope Davis, Alfre Woodard, Michael A. Cook, Laughton Parchment, Gene Farber

Bilder [© 2016 Marvel]

5 Kommentare zu „[Film] The First Avenger: Civil War (2016 US)“

  1. Nach all dem Hype scheint mir dies einmal eine geerdete Kritik zu sein. Macht mir nun fast noch mehr Lust auf den Film. Aber ich habe davor mindestens noch drei Marvel-Filme nachzuholen. Puh. So anstrengend all das. Vermutlich lasse ich es doch… ;)

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    1. Danke. Er macht schon Spaß, kriegt seinen Knackpunkt aber nicht so wirklich auf die Reihe. Kann man sich durchaus angucken – auch wenn man noch etwas Vorarbeit leisten muss. ;)

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  2. Interessant, kann total nachvollziehen wie und warum du das so empfandest.
    Ich wusste vorher wirklich nichts, weder Storymäßig noch von der Besetzung, weswegen ich wahrscheinlich sehr sehr unbedarft da saß und ich mich weder umzingelt von Querverweisen etc. fand, sondern mich einfach nur gefreut habe, dass die Guys versuchen sich in Selbstreflexion zu üben.
    Und beruhigend, dass bei dir der Spider-Man auch nicht gezogen hat. ^^

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